France


26/09/2019 – 09/10/2019

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France

Baroncourt und Verdun

Über kleine Dorfstraßen sind wir nach Frankreich eingereist und schlagartig verändern sich Bauweise sowie Landschaft. Waren die Häuser in Luxemburg noch groß und gepflegt, so stehen hier plötzlich kleine schlammbraune Bauten direkt an der Straße, heruntergekommen mit bröckelnder Fassade. Wo vorher in Eifel und Luxemburg dichter Wald das Landschaftsbild geprägt hat sind es jetzt unendlich große Schläge an Mais, Raps und anderen Ackerfrüchten.
Trotz Dauernieselregen packt es uns doch am Bahnhof Baroncourt auszusteigen.
Für uns waren die alten Waggons wie ein Abenteuerspielplatz und so sind wir durch die verschiedenen Züge spaziert und uns bei dem Fund eines Hundeskeletts in einem Plastiksack auch irgendwie gegruselt. Vermutlich hat man eher selten die Möglichkeit einen Lost Place wie diesen so unbeschwert, unbeobachtet und alleine zu besuchen, wir waren völlig hin und weg!




Unseren Stellplatz für die heutige Nacht haben wir ganz allein am Rande eines herrlich klaren aber zu dieser Jahreszeit schon richtig kalten Flusses bezogen. Trotz lebhaftem Wind und Außentemperaturen von 16 Grad war mal wieder Waschtag und so haben wir uns in der „Meuse“ gewaschen, es war zwar saukalt aber für das frische Gefühl danach hat es sich absolut gelohnt.


Begonnen haben wir unsere Geschichtstour durch die Kriegsschauplätze der wohl bekanntesten aber auch heftigsten Kämpfe des ersten Weltkriegs im Umland von Verdun an den Ruinen der „Quatre cheminées“, den vier Schornsteinen. Der Name ist Programm, denn nach den kriegerischen Auseinandersetzungen der deutsch-französischen Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich die Franzosen gewappnet und eine unterirdische Bunkeranlage in den Hügel getrieben, die Luftzufuhr erfolgte durch die vier Türme. Umgeben von heute wieder dichtem Wald haben sich die französischen und deutschen Soldaten im Jahr 1916 über 300 Tage und Nächte lang belagert, beschossen und abgemetzelt. Bei dem heutigen Wetter mit gedämpftem Licht und Regen überkommt einen ein beklemmendes Gefühl, das Donnern der Industrieanlagen Verduns tut sein Übriges. Etwas oberhalb kann man die sehr gut erhaltene der Kommandozentrale samt MG-Türmen besichtigen, die nach über 100 Jahren ihren Platz in der von Granaten geformten Umgebung gefunden zu haben scheint. Eine Ruhestätte der besonderen Art haben die über 130.000 Gefallenen beider Seiten im „Ossuaire de Douaumont“ gefunden, die bei der Schlacht um Verdun ums Leben gekommen sind und nicht identifiziert werden konnten.




Bis in die Innenstadt Verduns schaffte es unsere Schildkröte noch, danach traten Probleme mit Standlicht und Motor auf. Zum Glück konnten wir schnell Rücksprache mit tollen Leuten in Deutschland halten und bauten daraufhin den Sicherungskasten des Autos aus, mit dem Verdacht, dass dieser durch den Dauerregen feucht geworden war. Nachdem wir das in gemeinsamer Arbeit mit viel Fluchen geschafft hatten und das gute Stück trocknen wollten, hat auch noch die Standheizung versagt, Sicherung durchgebrannt. Wenigstens dieses Problem konnten wir schnell lösen, denn auch nach der ersten Trocknung hatten wir mit den gleichen Ausfällen wie davor zu kämpfen. Also mussten wir das ganze Zeug nochmals ausbauen, den Kasten aufhebeln und aufgeklappt über Nacht trocknen lassen.


Clermont-en-Argonne, L´Épine, Montgueux und Villemaur-sur-Vanne

Auf dem Weg in die Campagne entdecken wir die Basilika in „L’Épine“ und lassen uns nicht nur von den bunten Fenstern begeistern. Für uns mehr als gewöhnungsbedürftig ist hingegen die Tatsache, dass mittlerweile selbst in Gotteshäusern EC-/Kreditkarten-Terminals stehen, an denen man seine Opferkerze oder Spende bequem und bargeldlos abbuchen lassen kann.




Ungewöhnlich früh, zumindest wenn man unsere bisherigen Ankunftszeiten als Vergleich heranzieht, haben wir unseren Platz neben der Kirche in Villemaur-sur-Vanne bezogen. Von ihrer Bauart her ist sie schon besonders, da der Turm drei Dächer besitzt und von oben bis unten mit Holzschindeln eingekleidet wurde. Dank des ausbleibenden Regens konnten wir ein paar frisch gewaschene Klamotten draußen auf die Wäscheleine hängen (trocknet halt dann doch schneller als auf der Leine im Auto) und auf einer richtigen Holzbank mit Tisch zu Abend gegessen, ein echt gutes Gefühl mal nicht mehr nur im Auto seine Zeit verbringen zu müssen. Versüßt wurde unser Aufenthalt durch Kater Miguel alias „Klöten-Manni“ - quasi fast wie Zuhause.



Auxerre


Früh morgens, also so gegen 8 Uhr, haben wir einen kurzen Rundgang durch Villemaur-sur-Vanne sowie über den Friedhof gemacht, der älteste Tote wurde 1794 geboren. 


Währenddessen hat sich Gundula über eine frisch gefangene Fliege hergemacht, die erste Beute im gereinigten Netz und eine willkommene Stärkung vor der Weiterfahrt nach Auxerre. Fast jedes Dorf, das wir durchfahren, macht auf uns den Eindruck einer Geisterstadt, so trist und verlassen sieht hier alles aus. Vereinzelt fallen einem ein paar Jugendliche auf, die mitten am Tag auf der Straße hocken, wie die jemals alleine von dorten wegkommen sollen, es gibt oft nicht mal eine Bushaltestelle, ist uns ein Rätsel. Und auch keine Eisenbahn mehr, denn über die Hälfte der Bahnübergänge, die wir passieren, hat längst ausgedient. Ein gefundenes Fressen für die Gelbwesten also? Können wir schlecht beurteilen, denn bis auf ein paar Schilder und eine gelbe Hütte an einem Kreisverkehr kurz nach der Grenze bei Aumetz haben wir bislang nichts dergleichen mehr gesehen.

Bei starkem Wind und immer wieder auftretendem Regen (na sowas, schon länger nicht mehr gehabt, nicht) stapfen wir nun durch die hügelige Stadt und gönnen uns in einer Patisserie frische Croissants. Dank Starkregen flüchten wir uns zu Burger King, um dort umgeben von Fleisch und Fett den vorletzten Blogeintrag hochzuladen.



Ein Supermarktbesuch in Frankreich ist ein Erlebnis der besonderen Art - Wein und Champagner in Meterlangen Gängen, frische Backwaren, Tartes, Tartelettes, frischer Fisch und Fleisch, Gemüse und Obst aus der Region, und Bergeweise Käse. Am Ende waren wir stolze Besitzer von Baguette, Weichkäse und Trauben geworden. Seitdem es in Frankreich ein Gesetz gibt, das den Supermärkten über 400qm die Vernichtung von Lebensmitteln nach Ablauf des Verfallsdatums verbietet, ist der Anteil an Lebensmittelspenden für Hilfsorganisationen um etwa 20% angestiegen, viele andere Sachen landen vergünstigt in speziellen Regalen im Markt oder werden wie Brot in große Säcke gepackt und zu einem Spottpreis als Tierfutter verkauft.



Mehun-sur-Yèvre und Saint-Loup

Unsere Fahrt Richtung Südwest war geprägt von schlechten Straßen und Umleitungen, die uns an Orte geführt haben, die mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie ein Tourist vor uns angefahren hat. Ein Zufallsfund war die Burgruine von Mehun-Sur-Yèvre, von der mittlerweile nur noch eineinhalb Türme in den Himmel ragen. 



Dort haben wir auch beschlossen unsere Fahrt nach nun mehr schon über drei Stunden und knapp 120km nicht mehr allzu lange fortzusetzen, den Ort Saint-Loup angesteuert und am Rande des Flusses „Cher“ den Motor ausgestellt. Bei herrlicher Ruhe haben wir die Trockenheit genutzt, um mal wieder ordentlich zu kochen und uns auch ohne Weingläser kräftig einzuschenken.


Limoges und Étagnac

Limoges - Regen - 10 Grad. Aufgrund der Kaolinvorkommen hat sich hier eine große Anzahl Porzellanmanufakturen angesiedelt, die bis ins 19. Jahrhundert hinein das französische Königshaus beliefert haben; selbst heutzutage kommt noch über die Hälfte des in Frankreich produzierten Porzellans aus dieser Region. Hügelig wie zuvor schon Auxerre liegt die Stadt zu beiden Seiten der Vienne, an deren Ufer zumeist ältere Herren Boule spielen, während ihre Frauen in Stühlen am Rand sitzen und das Geschehen mehr oder weniger interessiert verfolgen. Die Kathedrale Saint-Etienne ist schon von weitem zu erkennen, sie ist in dem für hier typischen gotischen Stil ab dem 13. Jahrhundert errichtet worden und thront seither neben dem botanischen Garten in der Altstadt. Von dort gelangt man in ein paar Minuten in das Stadtzentrum, das zu großen Teilen aus Fußgängerzonen besteht. Die Vielfalt und Kreativität der kleinen Läden in den vielen Fachwerkhäusern ist ähnlich hoch wie in Amsterdam, man fühlt sich in der Geschichte zurückversetzt, so verspielt und teilweise verträumt ist es hier. Neben den üblichen Bekleidungsgeschäften haben wir noch in keiner anderen Stadt Spiele-, Comic- und Fantasyläden gesehen wie hier, scheint bei den über 130.000 Einwohnern wohl sehr beliebt zu sein. Nach ein paar Stunden sind wir schließlich weitergezogen, irgendwann wollen wir nämlich doch noch mal in wärmeren Gefilden ankommen.


Pünktlich zum Sonnenuntergang angekommen vespern wir am Rande eines kleinen Sees in der Nähe von Étagnac, mit Vogelgezwitscher über uns und ziemlich großen Fischen unter Wasser. Nachdem es mittlerweile auch schon Oktober ist merkt man schnell, dass die Abende, an denen man gemütlich länger draußen sitzen kann, zumindest in Mitteleuropa, rar geworden sind.
Langsam pegelt sich bei uns so etwas wie Alltag ein: Putzen, Kochen, Essen, Duschen – wenn auch outdoor und kalt.




Bordeaux

Nachdem wir Tortuga durch sämtliche schmale Gassen jagen mussten, ergatterten wir einen kostenlosen Parkplatz hinter dem Zentralfriedhof der Stadt. Sämtliche Cafés und Bars sind vollgestopft mit Leuten, die die Abendsonne noch genießen wollen. Auffällig ist der veränderte Baustil, vom vormals dominierenden Fachwerk sieht man weit und breit nichts mehr, der große historische Kern ist in seiner Gänze nahezu erhalten geblieben, die Nähe zum Süden greifbar. Und genau dieser gute Erhaltungszustand hat 2007 dazu geführt, dass nicht nur einzelne sondern außergewöhnlich große Teile der Stadt als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet wurden. Entlang der Uferpromenade kann man herrlich Leute beobachten, die Freude in den Kinderaugen beim Betrachten des eigenen Spiegelbilds im „Miroir d´Eau“ ist fast greifbar, überall sitzen Leute zusammen und verbringen gemeinsam den Abend, ein unheimlich tolles Flair liegt in der Luft.




Am Folgetag sind wir unserer neuen Leidenschaft des Friedhofbesichtigens nachgekommen.


Im Anschluss daran haben wir uns auf die Suche nach WLAN gemacht, wir wollten die Großstadt nutzen um den letzten Blogpost hochzuladen. Leider hat das nicht ganz so gut geklappt wie erhofft, denn entweder ist das Internetz plötzlich ausgefallen, war nicht anwählbar oder wurde als zu unsicher eingestuft, BK als letzte Anlaufstelle enttäuschte uns allerdings nicht.

Le Muret, Gourby und Marais d´Orx

Luft aufpumpen



Sare

Am nächsten Tag, das übliche Bild, es ist bewölkt und regnet. Erst relativ schwach, die Zeit nutzt Louise zum Joggen und Jonas putzt endlich die Fenster im Führerhaus, danach wird der Regen stärker. Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen und duschen draußen, dank dem Boiler gibt es auch warmes Wasser. Heute fahren wir ins Pyrenäen-Vorland, dabei durchqueren wir die Stadt Bayonne und wären gerne ausgestiegen, geradezu malerisch stehen die alten Häuser am Fluss und laden zum Flanieren. Aber uns ist es eindeutig zu nass und so fahren wir weiter. Dass wir uns den Bergen nähern merkt die Schildkröte schnell, es wird kurvig und steiler, die zweisprachigen Straßenschilder weisen auf die Ankunft im französischen Teil des Baskenlandes hin. Uns beiden gefällt es hier augenblicklich sehr gut, endlich wieder Berge nach fast neun Wochen Reise. Hoch oben sehen wir zwei Geier auf einem Felsen sitzen, in Europa sind sie trotz Auswilderungsprojekten immer noch ein eher seltener Anblick.
In Sare, eines laut Auszeichnung der schönsten Dörfer Frankreichs, machen wir Halt und steigen aus, um uns den Stadtkern anzuschauen und uns die Zeit zu vertreiben, bis wir Katrin, eine befreundete Tierärztin, treffen.


Wir fahren die D306 hoch, über steile Serpentinen geht es durch dampfenden Bergwald, der Boden ist mit Farnen bedeckt, es riecht nach Natur pur. Leider ist auf der Anhöhe alles in Wolken gehüllt, aber Spanien sehen bzw. betreten wir trotzdem, denn die Landesgrenze verläuft direkt zwischen zwei Restaurants. Schön dass viele Spanier erst relativ spät zum Essen gehen, so bekommt man im „Lizarrieta“ auch Sonntagnachmittag um 15 Uhr noch frisches Steinpilzomelett, Fritten und leckeren gemischten Salat. Dabei reden wir über die tierärztliche Tätigkeit in Frankreich und die hiesige Landwirtschaft sowie über den Faible der Basken für die Tauben-& Wildschweinjagd. Wir sitzen gute zwei Stunden in einem rustikalen spanischen Restaurant und obwohl wir schon satt sind bestellen wir – wie hätte es auch anders sein können - landestypische Nachspeisen, Flan und Mamia (schnell fermentierter Schafsjoghurt), zum Abschluss gibt es auch noch zwei unterschiedlich alte Hartkäse aus Schafsmilch, ein wahrer Genuss für Käseliebhaber. Katrin kommt aufgrund ihrer Fahrpraxis immer viel rum und ist auch hier schon gut bekannt, so dass ihr Sohn nach dem Essen völlig befreit in der Gegend herumrennen und sich austoben kann.

Wenn die Tage so rapide kürzer werden und man dann auch noch im Wald steht verwundet es nicht, dass es selbst um 8 Uhr fast noch stockfinster ist. Und so bleiben wir dann eben länger liegen, starten gemächlich in den Tag und brechen anschließend zu einer „Pilzsuche-Bergwald“-Wanderung auf. Leider finden wir die gewünschten Wege nicht, nehmen daher einen schlammigen Forstweg steil bergauf und suchen anfangs an jedem Baum nach Steinpilzen oder anderen essbaren Pilzen, leider ohne Erfolg. Trotzdem ist es wunderschön, wir hören die Vögel zwitschern und machen bei einem ausgebrannten Steinhaus eine kurze Rast, essen Waffeln und freuen uns darüber, dass wir durch Zufall einen Weg genommen haben, den sonst keiner gehen möchte.Wir begegnen einer Stute samt Fohlen der Rasse „Pottok“, die sich wunderbar alleine das Jahr über in der Wildnis zurechtfindet und somit durchaus als halbwild bezeichnet werden darf. Und als wir schon nicht mehr dran geglaubt haben finden wir sie doch noch, zwei Speisepilze und frische Minze. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit suchen wir uns einen neuen Stellplatz in einer höheren Lage und genießen das letzte Tageslicht.


Zum Sonnenaufgang klettern wir auf den Wohnkoffer rauf, um eine noch bessere Aussicht zu haben, und werden nicht enttäuscht.





Nach diesem guten Start in den Tag bemerken wir ein Leck in der Wasserleitung und beginnen das Auto zu trocknen, um danach mit schlechtem Französisch ein neues T-Stück im Baumarkt zu ordern und einzubauen. Den Nachmittag verbrachten wir erneut mit Katrin (und Praxiskatze) und Jonas begab sich mit Stirnlampe und ohne Schutzhelm (die Gefahr, von Eicheln erschlagen zu werden, ist außergewöhnlich hoch) auf Maronensuche, die hier fast unbemerkt ein Schattendasein fristeten.



Nachtrag: Ihr Lieben, wir mussten leider die Pixelzahl der Bilder nach unten schrauben, damit wir weiterhin Fotos hochladen können - also einfach nicht so genau hinschauen ;).

Die Route


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