Deutschlands Osten
Gefühlt bereitet sich jeder auf solch
eine längere Reise, egal ob sie nun Monate oder Jahre dauert, sehr
gewissenhaft und über einen entsprechend großen Zeitraum vor,
zumindest wenn man den vielen Reiseblogs in diesem Internetz Glauben
schenkt. Bei uns ging das alles irgendwie schneller – von der
Begutachtung der ersten Fahrzeuge über die grobe Planung der Route und die Impfungen
gegen fast alle Reisekrankheiten bis hin zum Kauf unserer „Tortuga“
sowie dem Verkauf all unserer Möbel sind gerade einmal sechs Monate
vergangen. Manche Dinge mussten im Expressverfahren durchgezogen
werden, andere Sachen, wie der
TÜV und die Konservierung des Reisemobils, haben etwas länger
gedauert als ursprünglich angedacht. Ganz nebenbei hat Louise auch
noch ihr Tiermedizinstudium beendet und Jonas die Kuhställe rund um
Kißlegg unsicher gemacht.
Viele Heimaten - Allgäu / Dachau / Chemnitz / Leipzig
Der
Abschied aus Kißlegg ist uns nicht leicht gefallen, zu gut hat es
uns die Zeit über hier mit den Bergen im Hintergrund und den vielen
netten Leuten gefallen, dementsprechend ausgedehnt war dann auch die
Abschiedstour, die wir erst mit stundenlanger Verspätung abschließen
konnten.
Erster
Halt: DACHAU. Wie zu erwarten mussten wir viel organisieren:
ummelden, Papiere für die Führerscheine und das Fahrzeug besorgen,
beim Arbeitsamt vorstellig werden, das Reisemobil einräumen und und
und. Nach zahlreichen Umarmungen und einigen vergossenen Tränen
verabschiedeten wir uns von vielen Freunden und Jonas´ Familie und
weiter ging es mit sportlichen 80km/h die A9 hoch ins schöne
Sachsen.
Ein
vorerst letztes Mal gegrillten Kißlegger Rehrücken und leckere
vegetarische/vegane Dinge kamen auf den Grill, bevor die erste
gemeinsame Nacht in unserem Gefährt anstand, die wir beide aufgrund
der Ruhe im neuen Haus auf Rädern sehr genießen konnten. Doch wer
dachte, dass die Tage nun etwas ruhiger werden würden, der hatte
sich getäuscht, denn auch in Chemnitz und Umgebung hatten wir
etliche weitere Dinge zu erledigen sowie Freunde und Verwandte zu
verabschieden.
Wer schon mal in Leipzig war weiß wie
lebenswert diese Stadt ist – ein schöner Flecken demokratischer
Erde mit spannender Architektur und lebendiger Geschichte überall.
Wir haben beide hier für einige Jahre gelebt, kennen uns also ganz
gut aus und so konnten wir ohne den üblichen Touristress mit Freunden und Familie vor Ort lecker essen gehen, unsere Wäsche waschen und
wurden köstlich bekocht.
Einige Sachen haben wir hier zum ersten
Mal ausprobiert – die ersten Gäste empfangen, das erste Frühstück
im Freien genießen, das erste Abendessen auf dem Kocher kochen, die
erste Außendusche "genießen"... Und auch wenn wir uns erst noch
weiter einrichten und einleben müssen, irgendwas gibt es irgendwie
immer zu tun, wir fühlen uns schon ziemlich wohl in unserer
Schildkröte.
Berlin!
Das Wochenende über ist auf dem
Alexanderplatz das größte vegane Sommerfest Europas, auf dem wir
uns viel rumgetrieben und durch die verschiedenen Essensstände
probiert haben - Burger, Eis, Käseersatz, Grillzeug, Pflanzendrinks,
Döner, exotische Gerichte aus Ghana, Sambia sowie Israel und zur Weiterbildung Infostände über die vegane Lebensweise und zu diversen Tierschutzprojekten.
Geparkt wird natürlich außerhalb der Umweltzone im Grünen :)
Sachsenhausen und Mecklenburgische Seenplatte
Rauf auf die B96 und gen Norden fahren, das war der Plan, doch weiter
als 40km sind wir erstmal nicht gekommen, Louise hatte das Schild zur
Gedenkstätte „Sachsenhausen“ entdeckt. Also wieder runter, durch Oranienburg zum ehemaligen KZ
gefahren. Ab 1936 noch als Lager für politische Gefangene errichtet kamen bald
Menschen „minderwertiger Rassen“ und nach Kriegsbeginn viele
Kriegsgefangene nach Sachsenhausen, im Laufe der Zeit über 200'000.
Hier wurden die ersten Vergasungsanlagen getestet, perverse
pseudowissenschaftliche Experimente sowie Zwangskastrationen von
„Freiwilligen“ durchgeführt und Zehntausende auf bestialische
Weise ermordet. Trotz dass nur mehr wenige Baracken zu besichtigen
sind (die Planer der Gedenkstätte hatten sich 1961 gegen den Erhalt
der Originalbauten entschieden) hinterlässt der Besuch einen bleibenden Eindruck.
Gefangenenbaracken |
Erschießungsgraben |
Sowjetopfer |
Mahnmal |
Dass in Sachsen und Brandenburg in
Kürze gewählt wird ist dank der vielen Wahlplakate kaum zu
übersehen. Wenn man dann aus einer Gedenkstätte kommt, in der so
viele menschenverachtende Dinge passiert sind, und sich anschließend
vor Augen führt, dass am Sonntag vermutlich knapp 25% aller
Wahlberechtigten für die (NS)AfD stimmen werden, dann kann einem nur
Angst und Bange werden und es drängt sich unweigerlich die Frage
auf, ob diese Leute verdammt nochmal nichts aus der Geschichte
gelernt haben!?
Aber wir haben auch viele schöne Dinge
erlebt während unserer Zeit an der Mecklenburgischen Seenplatte, ein
Highlight waren sicherlich die drei Rudel Damwild, die völlig
gechillt neben Straße geäst haben. Kurzerhand wurde die Schildkröte
entsprechend ihres Tempos gewendet, in eine kleine Straße gefahren
und geglotzt.
Doch nicht nur die Natur ist schön
anzuschauen, auch die Städte und Dörfer haben was. Viele Häuser
sind in Fachwerk- oder Klinkerbauweise errichtet worden, aber leider
nicht immer in bestem Zustand. Insbesondere auf den Käffern weiter
draußen sieht man etliche verfallene Gebäude oder Rohbauten auf
denen in zynischen Lettern „Aufschwung Ost“ geschrieben steht.
Neustrelitz hingegen wurde massiv aufgehübscht. Der positive Eindruck der 4-Tore-Stadt Neubrandenburg –
Europas besterhaltene Stadtbefestigungsanlage samt vier tollen
Zugangstoren, auf jeden Fall sehenswert – äußerst braun wirkt sie allerdings trotzdem.
Wir begeben uns jetzt noch ein Stück weiter in den Norden Deutschlands, mehr Bilder und Facts dann im nächsten Kapitel :)!
Die Route
Bei eurem Waidsmannsheil braucht ihr ne Kamera mit mehr Brennweite (300mm aufwärts)
AntwortenLöschenGute Fahrrt
Dieter Buhl der DaD von Andi
Ohhh wie schön vom Euch zu lesen & hören! :)
AntwortenLöschenTolle Fotos und ein super angenehmer Schreibstil - freue mich auf mehr!
Gute Zeit und always safe travels!
Gabriel
Hallo ihr Beiden,
AntwortenLöschendanke für Eure Kommentare.
Das mit dem größeren Objektiv gestaltet sich leider schwierig, das gibt es für meine Kamera leider nicht in brauchbarer Qualität. Von daher mal schauen was sich so in Zukunft ergibt...
Wir freuen uns, dass Euch der Blog gefällt und mehr gibt es ab heute Abend ;-)
Liebe Grüße
😊
AntwortenLöschen