Deutschlands Osten

05/08/2019 - 01/09/2019

Wo sollen wir nur anfangen...

Gefühlt bereitet sich jeder auf solch eine längere Reise, egal ob sie nun Monate oder Jahre dauert, sehr gewissenhaft und über einen entsprechend großen Zeitraum vor, zumindest wenn man den vielen Reiseblogs in diesem Internetz Glauben schenkt. Bei uns ging das alles irgendwie schneller – von der Begutachtung der ersten Fahrzeuge über die grobe Planung der Route und die Impfungen gegen fast alle Reisekrankheiten bis hin zum Kauf unserer „Tortuga“ sowie dem Verkauf all unserer Möbel sind gerade einmal sechs Monate vergangen. Manche Dinge mussten im Expressverfahren durchgezogen werden, andere Sachen, wie der TÜV und die Konservierung des Reisemobils, haben etwas länger gedauert als ursprünglich angedacht. Ganz nebenbei hat Louise auch noch ihr Tiermedizinstudium beendet und Jonas die Kuhställe rund um Kißlegg unsicher gemacht.

Viele Heimaten - Allgäu / Dachau / Chemnitz / Leipzig

Der Abschied aus Kißlegg ist uns nicht leicht gefallen, zu gut hat es uns die Zeit über hier mit den Bergen im Hintergrund und den vielen netten Leuten gefallen, dementsprechend ausgedehnt war dann auch die Abschiedstour, die wir erst mit stundenlanger Verspätung abschließen konnten.
Erster Halt: DACHAU. Wie zu erwarten mussten wir viel organisieren: ummelden, Papiere für die Führerscheine und das Fahrzeug besorgen, beim Arbeitsamt vorstellig werden, das Reisemobil einräumen und und und. Nach zahlreichen Umarmungen und einigen vergossenen Tränen verabschiedeten wir uns von vielen Freunden und Jonas´ Familie und weiter ging es mit sportlichen 80km/h die A9 hoch ins schöne Sachsen.
Ein vorerst letztes Mal gegrillten Kißlegger Rehrücken und leckere vegetarische/vegane Dinge kamen auf den Grill, bevor die erste gemeinsame Nacht in unserem Gefährt anstand, die wir beide aufgrund der Ruhe im neuen Haus auf Rädern sehr genießen konnten. Doch wer dachte, dass die Tage nun etwas ruhiger werden würden, der hatte sich getäuscht, denn auch in Chemnitz und Umgebung hatten wir etliche weitere Dinge zu erledigen sowie Freunde und Verwandte zu verabschieden.

Wer schon mal in Leipzig war weiß wie lebenswert diese Stadt ist – ein schöner Flecken demokratischer Erde mit spannender Architektur und lebendiger Geschichte überall. Wir haben beide hier für einige Jahre gelebt, kennen uns also ganz gut aus und so konnten wir ohne den üblichen Touristress mit Freunden und Familie vor Ort lecker essen  gehen, unsere Wäsche waschen und wurden köstlich bekocht.

Einige Sachen haben wir hier zum ersten Mal ausprobiert – die ersten Gäste empfangen, das erste Frühstück im Freien genießen, das erste Abendessen auf dem Kocher kochen, die erste Außendusche "genießen"... Und auch wenn wir uns erst noch weiter einrichten und einleben müssen, irgendwas gibt es irgendwie immer zu tun, wir fühlen uns schon ziemlich wohl in unserer Schildkröte.

Berlin!

Das Wochenende über ist auf dem Alexanderplatz das größte vegane Sommerfest Europas, auf dem wir uns viel rumgetrieben und durch die verschiedenen Essensstände probiert haben - Burger, Eis, Käseersatz, Grillzeug, Pflanzendrinks, Döner, exotische Gerichte aus Ghana, Sambia sowie Israel und zur Weiterbildung Infostände über die vegane Lebensweise und zu diversen Tierschutzprojekten.




Geparkt wird natürlich außerhalb der Umweltzone im Grünen :)



Tschüss Berlin - schnell weiter...

Sachsenhausen und Mecklenburgische Seenplatte

Rauf auf die B96 und gen Norden fahren, das war der Plan, doch weiter als 40km sind wir erstmal nicht gekommen, Louise hatte das Schild zur Gedenkstätte „Sachsenhausen“ entdeckt. Also wieder runter, durch Oranienburg zum ehemaligen KZ gefahren. Ab 1936 noch als Lager für politische Gefangene errichtet kamen bald Menschen „minderwertiger Rassen“ und nach Kriegsbeginn viele Kriegsgefangene nach Sachsenhausen, im Laufe der Zeit über 200'000. Hier wurden die ersten Vergasungsanlagen getestet, perverse pseudowissenschaftliche Experimente sowie Zwangskastrationen von „Freiwilligen“ durchgeführt und Zehntausende auf bestialische Weise ermordet. Trotz dass nur mehr wenige Baracken zu besichtigen sind (die Planer der Gedenkstätte hatten sich 1961 gegen den Erhalt der Originalbauten entschieden) hinterlässt der Besuch einen bleibenden Eindruck.





Gefangenenbaracken


Erschießungsgraben


Sowjetopfer


Mahnmal

Dass in Sachsen und Brandenburg in Kürze gewählt wird ist dank der vielen Wahlplakate kaum zu übersehen. Wenn man dann aus einer Gedenkstätte kommt, in der so viele menschenverachtende Dinge passiert sind, und sich anschließend vor Augen führt, dass am Sonntag vermutlich knapp 25% aller Wahlberechtigten für die (NS)AfD stimmen werden, dann kann einem nur Angst und Bange werden und es drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob diese Leute verdammt nochmal nichts aus der Geschichte gelernt haben!?

Aber wir haben auch viele schöne Dinge erlebt während unserer Zeit an der Mecklenburgischen Seenplatte, ein Highlight waren sicherlich die drei Rudel Damwild, die völlig gechillt neben Straße geäst haben. Kurzerhand wurde die Schildkröte entsprechend ihres Tempos gewendet, in eine kleine Straße gefahren und geglotzt.

Auch sonst gibt es reichlich zu entdecken, insbesondere die teils glasklaren Seen, in denen man prima schnorcheln und u.a. fressende Hechte beobachten kann oder die umwandert werden möchten. Für uns war es der erste Besuch hier und definitiv auch nicht der letzte.








Doch nicht nur die Natur ist schön anzuschauen, auch die Städte und Dörfer haben was. Viele Häuser sind in Fachwerk- oder Klinkerbauweise errichtet worden, aber leider nicht immer in bestem Zustand. Insbesondere auf den Käffern weiter draußen sieht man etliche verfallene Gebäude oder Rohbauten auf denen in zynischen Lettern „Aufschwung Ost“ geschrieben steht. Neustrelitz hingegen wurde massiv aufgehübscht. Der positive Eindruck der 4-Tore-Stadt Neubrandenburg – Europas besterhaltene Stadtbefestigungsanlage samt vier tollen Zugangstoren, auf jeden Fall sehenswert – äußerst braun wirkt sie allerdings trotzdem.





 Wir begeben uns jetzt noch ein Stück weiter in den Norden Deutschlands, mehr Bilder und Facts dann im nächsten Kapitel :)!



Die Route 

Kommentare

  1. Bei eurem Waidsmannsheil braucht ihr ne Kamera mit mehr Brennweite (300mm aufwärts)
    Gute Fahrrt
    Dieter Buhl der DaD von Andi

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  2. Ohhh wie schön vom Euch zu lesen & hören! :)
    Tolle Fotos und ein super angenehmer Schreibstil - freue mich auf mehr!
    Gute Zeit und always safe travels!
    Gabriel

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  3. Hallo ihr Beiden,
    danke für Eure Kommentare.
    Das mit dem größeren Objektiv gestaltet sich leider schwierig, das gibt es für meine Kamera leider nicht in brauchbarer Qualität. Von daher mal schauen was sich so in Zukunft ergibt...
    Wir freuen uns, dass Euch der Blog gefällt und mehr gibt es ab heute Abend ;-)
    Liebe Grüße

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