Marokko III
12/01/2020 – 25/01/2020
Von Affenfelsen, Wüstenkunst und ganz viel Sand
Auf dem Weg zur Dadès-Schlucht treffen
wir unsere französischen Freunde wieder und fahren gemeinsam ins
Tal. Vorher zeigen uns die Beiden noch Fotos ihrer Wüstentour inkl.
im Sand steckenbleiben und einer gebrochenen Kupplungsscheibe, was
wiederum zum Abschleppen nach Merzouga führte. Wer kommt auch auf
Idee, mit einem 7.5m langen Camper ohne nennenswerte Bodenfreiheit
eine Offroad-Piste durch die Wüste zu nehmen?! (Stiv – if you read
this, you are still our crazy offroad hero once and for all!)
Wir übernachten bei der „Auberge
Aicha“, werden von der Gastgeberin herzlich empfangen, am Abend
reich bekocht, danach geht’s bei frostigen Temperaturen schnell ins
Bett. Am Folgetag sind im Auto die Spuren der
Nacht nicht zu übersehen, das Kondenswasser an der Tür hat schöne
Eiskristalle gebildet. Bei den Temperaturen fällt das Aufstehen
schwer, aber die morgendliche Sonne klettert schnell über die Berge
und erwärmt unser Zuhause. Dann machen wir uns auf den steilen Weg
hinunter ins Bachbett, vorbei an einem zur Abschreckung aufgehängten
Marder und weiter zu den berühmten „Monkey fingers“. Die
Affenfinger sind skurrile Felsformationen, die sich rund um
die kleinen Orte Tamellalt und Ait Ouglif im Laufe von Jahrtausenden
gebildet haben. Wir laufen über eine Baumstamm-Brücke, queren ein
weiteres Mal den „Oued Dadès“ und kriechen auf dem kleinen
Mauervorsprung eines Bewässerungssystems unter Felsen entlang, unter
uns fließt der Bach, reinfallen ist nicht, dürfte unangenehm
werden. Daher trägt Stiv seine Familienmitglieder an anderer Stelle
durch das Wasser und zwei marokkanische Kinder sind ab jetzt unsere
ständigen Begleiter.
Im Flussbett betreiben die Anwohner auf
kleinen Parzellen Landwirtschaft, mit niedrigen Mauern versuchen sie,
das wenige Wasser auf ihren Feldern zu halten. Während es in der
Sonne angenehm warm ist, bleibt es im Schatten kühl, stellenweise
ist der Boden sogar noch gefroren, andernorts sprießt schon wieder
saftiges Gras. Auf dem Rückweg verletzt sich der Familienhund Java und wird den Rest der Strecke getragen, eine gründliche Untersuchung und Schmerzmittel gibt es dann am Auto.
Am nächsten Tag verlassen wir Aicha,
füllen noch ein bisschen Salbe und zwei, drei Tabletten
Schmerzmittel für ihren schmerzenden Rücken ab. Bei der
Verabschiedung fragen wir nach dem Zustand der Straße, doch sie kann
uns dazu nicht wirklich etwas sagen. Ihrer Aussage nach ist sie
bisher kaum in den Norden der Schlucht gekommen, wenn überhaupt
verlässt sie das Dorf für den Marktbesuch oder wenn sie zum Arzt
muss, ansonsten spielt sich ihr Leben und das vieler anderer
Dorfbewohner in einem sehr begrenzten Radius rund um das eigene
Zuhause ab.
Die Natur ist einfach nur wunderschön,
die kuriosen Felsformationen sieht man kurz hinter dem Dorf nochmal
in voller Pracht, die Farben der verschiedenen Gesteinsschichten
leuchten im Sonnenlicht. Nach einigen Baustellen, mehr oder weniger
gut gesichert, schlängelt sich die Straße am grünen Flussbett
entlang, die roten Berge dahinter bieten einen tollen Kontrast. Die
Straßen sind mäßig gut, an der atemberaubenden Landschaft hingegen
ändert sich wenig, wir genießen einfach nur die Zeichnung der
Felsen, die vielen netten Leute in den kleinen Dörfern und staunen
über die Lebensweise der Bewohner. In einfachsten Lehm- bzw.
Steinhäusern wohnen die Menschen hier, leben von dem, was der
bestellte Boden abwirft, ein hartes und entbehrliches Leben mitten im
Nirgendwo. Aber hey, immerhin haben sie 4G-Handyempfang, Entwicklung
des ländlichen Raums und so! An so mancher Stelle ist die Fahrbahn
abgerutscht, zweimal geht es über blankes Eis, die Felsvorsprünge
kommen dem Aufbau gefährlich nah, natürlich kommen genau da zwei
vollbeladene LKW entgegen, spätestens hier muss für die Markodicks
Schluss sein, denken wir zumindest. Denn als wir im letzten
Sonnenlicht die steilen Serpentinen hochfahren und den Blick ins Tal
genießen, da sehen wir ganz weit oben ein weißes Dach, dann den
bunten Pullover von Stiv. Ein verrückter Hund, diese Karre über so
eine Piste bis auf 2400m Höhe zu steuern.
Am nächsten Tag eröffnet sich uns ein fantastischer Blick über die Berge, tatsächlich begegnet uns ein Transportfahrzeug, ist eine geläufige Route hier für Locals und Warenüberbringer. Und wir kommen in den Genuss eine Gruppe Mähnenspringer zu sehen - die sogenannten „Berberschafe“ gehören mittlerweile zu den bedrohten Tierarten.
Ihr größter Feind ist, wie so häufig, der Mensch. Durch das immer
weitere Vordringen selbst in die entlegensten Gebiete wird ihr
Lebensraum zerstört, zudem werden sie von den Bewohnern der
Bergregionen bejagt, die auf fette Beute aus sind – die Böcke
bringen mit weit über 100kg mehr als das Doppelte der Weibchen auf
die Waage. Beide Geschlechter dieser Kletterkünstler tragen
halbkreisförmige Hörner, als (Halb-)Wüstenbewohner können sie
zudem wochenlang ohne Trinkwasser auskommen, der Bedarf wird dann nur
noch über Pflanzensäfte und Tau gedeckt.
Den höchsten Punkt des Passes auf
3003m besteigen wir mit Jenny und Sven, die uns einige Zeit zuvor mit
ihrem Ford Ranger samt Aufbau überholt haben. Den beiden erzählen
wir von unserem eigentlichen Ziel für heute, einer Naturbrücke, und
sie beschließen spontan uns zu begleiten. Ab hier geht es erstmal
stetig bergab und wir verbringen die Mittagspause mit den Markodicks,
bevor wir uns auf unbestimmte Zeit verabschieden.
Die Strecke wird einsamer und die
Vorstellung, dass hier tatsächlich dauerhaft Menschen wohnen, ist
absurd. Und doch trifft man hin und wieder auf Leben, in diesem Fall
auf zwei Jungs, die uns intensiv um Geld anbetteln. Sie blockieren
die Straße mit größeren Steinen, gegen einen Obolus wollen sie sie
beseitigen. Jo, nicht mit uns. Unsere Ignoranz stört die Kinder, sie
rennen neben Tortuga her und einer der Jungen hängt auf einmal am
Griff der Fahrertür, mit einem Fuß auf dem flexiblen Tritt. Im
nächsten Moment kommt das Auto zum Stehen und Jonas reißt die Tür
auf und schreit rum wie ein Wilder, was allen beteiligten einen guten
Schrecken einjagt. Nicht auszudenken, wenn er gestürzt und unter die
Räder gekommen wäre.
Die Naturbrücke (31.955884 N, -5.543108 W) ist sogar
ausgeschildert, 2,5km holprige Patt erfordern die nötige
Bodenfreiheit. Am „Parkplatz“ angekommen ist dann aber
tatsächlich endlich mal niemand mehr, der was von uns will. Umgeben
von rotem Fels geht es das Tal entlang, die Sonne erreicht schon seit
einer ganzen Weile nicht mehr so wirklich den Boden, daher ist der
Bach zugefroren, hat was von einer Schicht Milchglas obendrauf, sonst
hätte man hier sicherlich seine Trinkwasservorräte noch auffüllen
können. Es ist ein bisschen wie in einer Märchenlandschaft mit all
der Stille, der malerischen Umgebung und dem gefrorenen Wasserfall,
der eine dicke Eisschicht unter sich versammelt hat, während
obendrüber die Eiszapfen wachsen. Treppenstufen führen hinauf zur
Naturbrücke - ein riesiger Felsbogen spannt sich über einen Graben,
größer und spektakulärer als erwartet, die eingestürzte Kuppel
muss gigantisch gewesen sein. Das nächste Highlight erwartet uns
eine Etage tiefer, dort befindet sich ein kleiner Höhleneingang.
Todra-Schlucht und Tinghir
Wir schlafen am „Col du
Tizi Tirherouzine“ auf 2700m. Die Nacht über plagen Jonas die
heftigsten Kopfschmerzen bis wir morgens bei weniger als 1°C im Auto
aufwachen, draußen ist das Thermometer auf -9 Grad gesunken. Die
Kombination aus Höhe und Kälte wird vermutlich der Auslöser der
Schmerzen gewesen sein. Nach einem starken Kaffee geht es die
Todra-Schlucht hinab, sie windet sich an den Berghängen entlang, vom
„Togdha“-Fluss ist bis auf das trockene Flussbett nichts zu
sehen, es ist streckenweise fast schon einsam, nur eine Gruppe
Felsenhühner kreuzt unseren Weg. Je weiter man flussabwärts fährt,
desto milder und grüner wird es, die ersten Palmen erscheinen
entlang der Strecke. In Tinghir angekommen verspeisen wir
die Pizza, von der wir seit Monaten träumen, verzichten auf
Sightseeing und fahren gute 20km aus der Stadt raus, dahin wo kaum
noch Menschen wohnen und biegen links auf eine staubige Piste ab. Gut
anderthalb Kilometer von der Straße entfernt stellen wir uns einfach
in die Steppe und genießen die Ruhe beim Sonnenuntergang.
Kunst in der Wüste
Uns zieht es zu unserer ersten größeren
Offroadfahrt zur „Kunst“ in der Wüste. Kurz bevor wir auf den
Sand abbiegen sehen wir ein uns bekanntes Fahrzeug, der Sprinter von
Tanja und Klaus. Die Beiden kommen gerade aus dem Untergrund
gestapft, haben das hiesige Bewässerungssystem besichtigt, das sich
auf einer Länge von 16km durch die Landschaft zieht und anhand der
charakteristischen Erd-Haufen mit integriertem
Belüftungs-/Beleuchtungsschacht zu erkennen ist. Darin sammelt sich,
insofern es denn regnet, das Wasser, welches anschließend nach und
nach verteilt wird. Auch sie wollen sich die Kunstwerke des deutschen
Künstlers Hannsjörg Voth anschauen.
Der Weg zur „Goldenen Spirale“ ist
sandig, für die knapp 10km brauchen wir etwa eine Dreiviertelstunde,
in der Ferne ziehen sich Berge von links nach rechts und mitten im
„Nichts“ taucht das erste Bauwerk auf. Der Projektkünstler Voth
hat sich hier, in der Marha-Ebene östlich von Erfoud, einen Traum
erfüllt und die drei Kunstwerke „Himmelstreppe“ (1985-1987),
„Goldene Spirale“ (1994-1997) und „Stadt des Orion“
(2000-2003) teils in klassischer Bauweise aus Stampflehm errichten
lassen. Gemeinsam überschreiten wir den äußersten Ring aus
Steinen, wollen uns das Bauwerk doch mal aus der Nähe anschauen. Vom
Hügel hinter dem zeitweiligen Wohn- und Arbeitsquartier des
Künstlers kommt ein Mann gerannt, winkt uns zu, völlig außer Atem
erreicht er uns und bittet freundlich darum, umzukehren. Sein Name
ist Mohammed und er ist der Aufpasser vor Ort, der für die
Einhaltung der Regeln und das Kassieren der Eintrittsgelder zuständig
ist. Von ihm erfahren wir, dass die Bauwerke nur an vier Tagen der
Woche (Montag, Dienstag, Donnerstag und Samstag) besichtigt werden
können, aber da heute Freitag ist, sollen wir morgen wiederkommen.
Das würde dann 150DH/Person kosten und selbst für dieses Geld ist
eine Besichtigung nur bedingt möglich. Knapp vier Kilometer entfernt
steht das jüngste Bauwerk der Trilogie, die „Stadt des Orion“.
Auf einer Fläche von rund 4000qm ist eine Anordnung des Sternbildes
erbaut worden, die Maße der sieben Türme entsprechen der jeweiligen
Ausdehnung und Helligkeit am Himmel. Der Weg dorthin ist für beide
Fahrzeuge machbar, nur weiter als bis auf Zoom-Nähe mit unserem
200mm-Objektiv kommen wir nicht ran, auch hier ist schon wieder ein
Wächter im Anmarsch.
Auch um die 16m hohe „Himmelstreppe“
liegen mittlerweile mehrere Steinkreise, die Schäden durch die
Besucher an den drei Bauwerken haben eine Absperrung notwendig
gemacht. Wir haben trotzdem unseren Spaß während die Sonne sich
langsam dem Horizont nähert. Zwei Mal sitzt der Sprinter am heutigen
Tag fest und auch Tortuga trifft es, wir üben uns im Ausgraben und
zur Belohnung laden uns Tanja und Klaus am Abend zu sich ein, auch
ihr Selbstausbau kann sich mehr als nur sehen lassen, es gibt kühles
Bier und lange Gespräche bis nach Mitternacht.
Die vollkommen ruhige und überraschend
warme Nacht endet verhältnismäßig früh, in sicherer Entfernung
traben ein paar Dromedare vorbei. Als wir unser Abschiedsfoto machen
wollen steht plötzlich eine junge Frau vor uns. Ihr Alter schätzen
wir auf 16-18, schwer zu sagen, viel älter wird sie nicht sein.
Sehr zurückhaltend und schüchtern steht sie da, ein Ehering glänzt
an ihrer rechten Hand. Mit einer leeren Plastikverpackung bittet sie
um Damenbinden. Als Dankeschön kommen einige Fossilien aus ihrer
Schürze zum Vorschein und nach kurzem Zögern möchte sie Teil des
Gruppenbildes sein.
Wir fahren anschließend auf der
holprigen Schotterpiste gen Norden, teils über große Steine, teils
sind es sandige Abschnitte. Insgesamt brauchen wir für die 30km bis
zur Oase Tarda etwa dreieinhalb Stunden, als wir wieder Teer unter
den Reifen haben gleiten wir mit ungeahnter Geschwindigkeit dahin und
diskutieren, ob uns das denn nun Spaß gemacht hat. Wir sind
zwiegespalten. Die Koordinaten für die Strecke gibt's hier zu sehen.
Meski und Gara Medouar
In Meski spazieren wir auf den Klippen
über dem fruchtbaren Tal des Ziz-Fluss entlang, tausende Palmen
mögen hier stehen, im Hintergrund thront der alte Ksar von Meski auf
der anderen Flussseite, im Licht der sinkenden Sonne sieht er
besonders schön aus. Am Stadtrand biegen wir ab und laufen runter
zum Fluss, der nicht nur als Bewässerungssystem für die vielen
Felder dient, sondern auch als Waschmaschine und Autowaschanlage
genutzt wird. Scheint keinen zu stören, dass die berühmten „Blauen
Quellen von Meski“ aus dem gleichen Bach gespeist werden. Durch den
Palmenhain hindurch geht es drüben wieder hoch, dann stehen wir vor
der alten verfallenen Stadt, ein monumentales Zeugnis vergangener
Tage. Ehemals rund 300 Familien haben in dem verwinkelten Wirrwarr
gelebt, es gab eine große Moschee sowie ein Hammam, die Versorgung
mit Lebensmitteln erfolgte über den Anbau im Ziz-Tal. Und so vergeht
rund eine Stunde, in der wir uns in einer anderen, einer vergangenen
Zeit befinden, dann müssen wir aufgrund der einbrechenden Dunkelheit
aufbrechen. Auf dem Rückweg werden die letzten Palmen gerade noch
von der Abendsonne angestrahlt, wir müssen einen Bach durchqueren
und bauen eine provisorische Brücke aus Bambus, der Himmel färbt
sich in den prächtigsten Farben. Der aufziehende „Nebel“
hingegen ist von menschlicher Natur, ein einsamer Bauer bearbeitet
sein Feld mit einer Harke und Fledermäuse jagen über unseren Köpfen
nach Insekten.
Am nächsten Tag besichtigen wir das
Fort „Gara Medouar“, das schon häufiger als Kulisse für diverse
Filme diente, u.a. für „Die Mumie“ und „James Bond –
Spectre“. Da die Gegend bekannt ist für ihren Reichtum an
Fossilien, schauen wir öfters als sonst auf den Boden, zwischen dem
Geröll des ehemaligen Vulkankraters hoffen wir auf den ein oder
anderen interessanten Fund. Versteinerte Muscheln, Ammoniten und ein
paar undefinierbare Dinge aus der Urzeit landen in unseren Taschen.
Über eine für „Die Mumie“ errichtete Rampe gelangt man durch
die bis zu 12m hohe Schutzmauer ins Innere des hufeisenförmigen
Massivs. Ab dem 11. Jahrhundert begannen verschiedene Stämme die
außergewöhnliche Form des 50ha großen Areals zu nutzen, sie legten
neben den benötigten Wohnhäusern auch zwei Dämme zum Sammeln von
Regenwasser sowie Verteidigungsanlagen an.
Rissani und Merzouga
In Rissani werden wir von Mohammed
angesprochen, der uns in bestem Deutsch in ein Gespräch verwickelt,
aus dem es so schnell kein Entrinnen gibt. Er hat einen kleinen
„Kunsthandel“ und möchte uns gerne seine Heimatstadt zeigen. Nun
ja, gegen eine kleine Stadtführung kann man nichts einwenden, auch
wenn wir wissen, dass wir hundertprozentig in seinem Laden landen
werden. Er führt uns als Erstes in die alte Kasbah, einen Ort, den
wir sonst sicherlich nicht besucht hätten. Aus Stampflehm errichtet,
bietet sie immer noch 1200 Einwohnern ein Zuhause. Sie ist ein
Labyrinth aus rechtwinklig angelegten überdachten Gassen. Wir
schlüpfen in die Dunkelheit hinein und stolpern hinter Mohammed her,
der sich hier gut auszukennen scheint.
Der Rundgang geht weiter, wir betreten
den Souk, vorbei an einer Gasse mit Metzgern, die halben Ziegen sowie
gerupfte Gänse hängen wie immer ungekühlt in der Gegend rum. Wir
biegen zweimal ab und stehen in der Schuhmacher-Straße, ein Kumpel
von ihm hat dort eine Werkstatt. Bekannt sind vor allem Schuhe
hergestellt aus Autoreifen. Der Gewürzmarkt findet zwar erst morgen
statt, in den Genuss verschiedenster Mischungen kommen wir trotzdem.
Gläser mit verschiedensten Pulvern und Cremes stapeln sich bis an
die Decke. Wir bekommen frischen Minztee serviert, riechen an zig
Gewürzen und Tees, kosten medizinischen Honig. Das Wissen über die
Heilkraft der Pflanzen ist hier noch vorhanden, für jedes kleine
Problem gibt es ein anderes Kraut. Und dann landen wir tatsächlich
noch in Mohammeds „Kunsthandel“. Im Erdgeschoss stapeln sich die
Teekannen, Silberschmuck und andere angeblich antike Artikel,
zumindest der Staub dürfte aus alten Zeiten stammen. Eine Etage
tiefer befindet sich das Teppichlager, hell beleuchtet stapeln sich
die mal mehr, mal weniger kunstvoll gewebten Stücke bis unter die
Decke. Wir bekommen abermals Tee serviert und reden schließlich über
die Weltreligionen, eigentlich ein Tabuthema. Aber mit Mohammed kann
man das schon machen, er hat eine überraschend klare Meinung
darüber, welche der drei monotheistischen Religionen denn nun die
einzig Wahre ist. Keine! Denn alle glauben sie laut ihm an nur einen
Gott und das ist das Entscheidende. Zurück im Raum mit den Souvenirs
muss Jonas eine Djellaba aus Kamelwolle anprobieren, Kaufinteresse
besteht allerdings nicht, der Besitzer des Ladens wird langsam
unruhig. Natürlich müssen wir nichts kaufen, das ist schon klar, es wird aber immer wieder ganz nebenbei betont, dass man ein Souvenir
doch immer gebrauchen kann...
Auf der Fahrt nach Merzouga, der
heutigen Endstation, hängen uns dunkle Regenwolken im Nacken. Die
ersten roten Sanddünen tauchen am Horizont auf. Wir sind mit Tanja
und Klaus verabredet, der Platz, den die Beiden gefunden haben ist
wunderbar, der Untergrund fest und der hellrote Sand ganz nah. Hier
können wir problemlos stehen, in 150m Entfernung laufen Dromedare
mit ihrem Führer in den wohlverdienten Feierabend. Und dann beginnt
es zu regnen. Für eine gute Stunde wird die Wüste nass. Anstatt im
regen zu tanzen, laden wir unsere neuen Freunde mal zu uns ein und
verbringen einen witzigen und entspannten Abend.
Am nächsten Vormittag brechen wir zu
einer kleinen Dünenwanderung im Gebiet des „Erg Chebbi“ auf. Die
Palmen befinden sich an den Rändern, danach finden sich vereinzelt
Dünengräser und Dickblattgewächse, dazwischen Spuren von Käfern
und Vögeln, auch Kleinsäuger wie Rennratten dürften sich hier
tummeln. Der Blick in die Ferne, auf die hohen Dünen, ist schon
geil, im Hintergrund sieht man den Grenzwall zu Algerien. Die vom
Wind geformten Sandberge schlängeln sich durch die Landschaft,
werfen tolle Schatten und bieten einen guten Kontrast zum
einheitlichen Rot.
Von Taouz nach Zagora
Nahe dem kleinen Ort Taouz sollen in
Felsen geritzte Berberzeichen zu finden sein. Bevor wir auf die Suche
gehen, versuchen wir im Schatten des Autos Kaffee zu trinken. Doch
prompt bekommen wir Besuch von einem Verkäufer, der in aller
Seelenruhe ein Souvenir nach dem anderen im Sand präsentiert. Nach
mehrmaligem dankenden Ablehnen geht er in den typischen Hocksitz und starrt er uns einfach nur noch an.
Auch gut.
Die angeblich 7000 Jahre alten
Tierzeichnungen sind auf den flachen schwarzen Steinen eingraviert,
sodass wir schlichtweg darüber hinweg gelaufen sind.
Dann geht es für uns endgültig ab auf
die Piste. Wir wählen einen alternativen Einstieg, fahren nicht
zurück nach Taouz sondern einfach nach Osten, immer rein in den Sand
und über die Steine in Richtung Jdeid. Klappt am Anfang super, trotz
der Tatsache, dass wir immer noch mit über 4 bar Reifenluftdruck
unterwegs sind. Die Strecke ist abwechslungsreich, Berge, Dünen,
sandige Abschnitte gehen in steinige Flächen über, Sträucher und
Bäume in verschiedensten Grüntönen, teils sogar mit Blüten,
säumen unseren Weg. Die Koordinaten zur Piste findet ihr hier.
Wir passieren den „Erg Ouzira“, aus
Sand wird irgendwann eine Rennstrecke, flacher Untergrund für mehr
als drei Kilometer. Das ändert sich schlagartig, als wir auf Ramlia
zusteuern, außer vielen großen
und/oder spitzen Steinen gibt es nicht viel anderes mehr. Wir haben
das Gefühl, dass die ganze Dorfjugend nur auf uns gewartet hat,
mindestens zwanzig Kinder und Jugendliche tummeln sich an der
„Straße“. Als wir wie immer nicht auf ihre Forderungen nach
„Bonbon, Dirham, Stilo“ eingehen und einfach weiterfahren, werden
manche von ihnen übermütig und hängen sich hinten an „Tortuga“
dran. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten, aber wir brauchen
Sandbleche genauso wie Treppe und Tür noch. Also kräftig auf´s Gas
gedrückt und abrupt auf die Bremse, das schüttelt auch den letzten
Verrückten ab.
Übel wird es beim Durchqueren eines
Flussbetts, das zwar schon lange kein Wasser mehr gesehen hat, dafür
aber ordentlich weichen Untergrund zu bieten hat. Damit wir „Tortuga“
nicht festfahren bleibt nur der Tritt auf´s Gaspedal, klappt auch
super, nur irgendwie müssen wir da ja auch wieder raus. Danach wird
die Fahrt endlich etwas entspannter und die Sonne steht schon tief,
als wir unseren Stellplatz am Rand der Piste nahe des „Jbel Zeger“
beziehen. Im letzten Sonnenlicht taucht noch eine Herde Dromedare
auf.
Am nächsten Tag geht es auf ziemlich
guter Piste nach Sidi Ali. Hier wird ordentlich was auf die Beine
gestellt, dreistöckige Häuser mitten in der Wüste, dazu richtige
Teerstraßen und das fast schon obligatorische 4G-Handynetz, besser
als in manchen Gegenden Deutschlands. Ansonsten gibt es hier aber
nichts, was einen längeren Aufenthalt als die Durchfahrt
rechtfertigen würde, daher düsen wir mit atemberaubenden 59km/h
über die staubtrockenen Ebenen hinter der Oase und rauf auf ne Düne,
natürlich nur für ein obligatorisches Foto im roten Wüstensand.
Louise macht sich zurecht lustig, als Jonas sich festfährt und nur
mittels Untersetzung freikommt. Einige Kilometer weiter sehen wir
Jenny und Sven wieder, mit denen wir uns auf einen Kaffee am
Pistenrand treffen.
Auf dem Weg finden wir echte “Rosen
von Jericho“. Die Pflanze stirbt nach nur einem Jahr ab und
beschützt die Samen unter ihren nach innen gekrümmten Zweigen. Wenn
es in der Wüste nach langer Zeit mal wieder regnet, saugen sich die
Zellen der Wüstenrose voll und die Zweige entfalten sich, um die
Samen freizugeben. Danach wechseln sich steinige Pisten und Teer ab,
bis die letzten 30km richtig unangenehm werden.
Zagora gilt als die Stadt der
Autowerkstätten, wir bekommen mehr als ein mal eine Visitenkarte in
die Hand gedrückt. Wir gehen einkaufen in dieser typisch
marokkanischen Stadt, mehr gibt es allerdings nicht wirklich zu
sehen. Deshalb beginnen wir mit der Planung unserer nächsten Tour
abseits der Teerstraße.
Mehr Fotos seht ihr hier.
Die Route
Mehr Fotos seht ihr hier.
Die Route
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